Hallo Foristi,
ein endloses Thema bei Modellbahnern ist die „richtige“ Farbe des Gleises: Über Messing oder Neusilber brauche wir nicht zu diskutieren, da ist die Zeit drüber hinweggegangen. Aber brüniert oder lackiert, das ist immer noch eine Frage. Und wenn man sich für Lackieren entschieden hat, taucht eine massive Klippe in den modellbahnerischen Weltanschauungen auf: Welche Farbe soll es denn sein?
Rost ! Natürlich! Aber da beginnt das Elend der nächsten Weltanschauungsunterabteilungen schon wieder: Rost ist nicht gleich Rost!
Aber die Farbenhersteller haben doch Farbtöne mit der Bezeichnung „Rost“ im Angebot, zB. Humbrol mit der Nummer 113. Nun, wenn ich diese Farbe aufgestrichen und getrockenet betrachte, entspricht sie der landläufigen Vorstellung von diesem Eisenkorrosionsprodukt. Also ran ans Gleis damit! Nun ja, bei dieser Farbwahl wenden sich meine Augen gen´ Himmel: Wieder jemand, der leider nicht das Vorbild angeschaut hat oder solche Details geflissentlich übersehen hat.
Nochmal: Rost ist nicht gleich Rost! Um das Modellbahnerauge zu schulen, habe ich vor einigen Jahren einmal den Rost aufgenommen, wie er wirklich an Bahnschienen zu finden ist. Ich habe seinerzeit direkt neben einem Industrieanschlussgleis gewohnt und aus meinem Fenster täglich den Anblick der Schienenprofile im Gleis verfolgen können.
Hier das besagte Gleis an einem schönen Herbstnachmittag am Samstag (die Zustelleinheit ist schon am Vormittag unterwegs gewesen) über das werktäglich ca 100 Achsen hinundherrollen. Das Schienenprofil ist vor einigen Wochen ausgetauscht worden, ca 1 m neben dem Gleis liegt seit dem das alte Profil und rostet ebenfalls vor sich hin, ohne dass darüber Räder rollen und Stahlabrieb produzieren.
Wie wir sehen, ist der Farbton dieser beiden Stahlprofile deutlich unterschiedlich!
Ganz offenbar bestimmt das drüberrollende Rad mit seinem minimalen Abrieb nicht nur auf der Lauffläche des Profils für immer frischen Nachschub von Stahlstaub! Dieser blanke Stahlstaub (von der blanken Lauffläche und den Radreifen) wird also immer wieder neu zu rosten beginnen und dabei die Farbklaviatur der Eisenoxidfarbtöne durchlaufen.
Der ganz frische Rost wie er sich zB auf der vor einigen Stunden noch stahlglänzen blanken Lauffläche nach wenigen Stunden gebildet hat, sieht eher gelb aus. Dieses Gelb wandelt sich in einem längeren Zeitraum über (rost)rot bis hin zum fast schwarzen Endstadium, wobei sich immer Mischfarbtöne herausbilden.
Umsetzung ins Modell
Ich habe einmal versucht, diese Rostfarbtöne aus den Modellfarbensortimenten herauszusuchen. Traditionell bin ich dem Hersteller Humbrol verbunden, da er mein Bastlerleben geprägt hat; immerhin hat(te) Humbrol das umfangreichste Farbtonsortiment. (Die anderen Hersteller wie Gunze, Tamija oder Vallejo um nur die wichtigsten zu nennen) gab es damals nicht bei uns zu kaufen. (Revell ist zwar auch ein Traditional, hat aber nur eine eingeschränkte Palette im Angebot, macht derzeit aber bei mir mit seinen wasserverdünnbaren Acrylfarben „Boden gut“, die schneller trocknen und so meiner Ungeduld entgegen kommen.)
Außer von Gunze, von der ich das sechstöpfige Alterungsset verwende, habe ich fast keine Erfahrung mit den, bei Plastikmodellbauern so beliebten, Produkten der anderen Firmen. Mit nur ein oder zwei Gläschen würde ich nicht weit kommen, und ich möchte mir nicht noch eine oder gar mehrere Kollektionen der Firmen ins Haus holen (Ich finde so schon nix wieder ;-)) ). Sicher spielt die Wahl der Farbhersteller bei meinen Vorschlägen nur eine untergeordnete Rolle, die Farbtöne finden sich sicherlich auch in den Sortimenten der o.g. anderen Hersteller wieder.
Damit ich mir nicht immer den Mund fusselig reden musste um den Zuhörern zu diesem Thema die Farbtöne zu beschreiben, habe ich meine favorisierten Farbtöne auf kleine Bleche aufgestrichen, die ich nach dem Durchtrocknen als Farbmuster mit „an´s Gleis“ nehmen konnte. Es handelt sich um den klassischen Rostton Humbrol 113, weitere Töne Humbrol 160, Hu 177 als Vertreter klassischer roter Rosttöne sowie das dunkelbraune Hu 170 und von Testors (via Faller) den Ton 1563 „Rubber“. Als Vertreter des frischen Rostes wählte ich Humbrol 29 (dark earth) aus. Den Farton Humbrol 98 „chocolat“ habe ich als Favorit für Holzschwellen mit dazu genommen.
Im nächsten Bild ist zu sehen, dass die roten Rosttöne gar nicht dem bei meinem (vor`m Haus-)Gleis vorgefundenen realen Rostton entsprechen! Die beste Übereinstimmung ergab sich mit dem Farbton 170.
Der frische gelbe Rost auf der Lauffläche stimmt gut mit dem Farbton 29 überein (hier leider nicht so gut nachzuvollziehen).
Um die der Witterung ausgesetzten Holzschwellen farblich zu typisieren, habe ich die Töne Hu 98 und Testors 1583 einmal zum Vergleich aufgelegt. Im zweiten Bild auch in angefeuchteter Form, da die matten Oberflächen durch unterschiedliche Lichtbrechungen den Farbton nur unzureichend vergleichen lassen. Ich finde, das Hu 98 kommt hier der Farbe der Schwellen schon recht nahe, mit einem zusätzlichen „Weathering“ der lackierten Schwellen auf dem Modul mit einem grauen Farbton ist man schon „nah dran“.
Nun zum Farbton der unbenützten Schienenprofile, die still vor sich hin oxidieren können:
Hier haben die roten Rosttöne durchaus ihre Berechtigung. Mit einem „Wash“ mit schwarz oder dunkelbraun kann man so unterschiedlich alte abgelegte Stahlteile realitätsnah behandeln.
Mein Fazit:
Ich habe mich bei meinen Modulen (andere Modellbahnen habe ich nicht) für die folgenden Farbgebungen entschieden:
Vielbefahrene Hauptgleise, bei denen immer frischer Stahlstaub übergepudert wird, lackiere ich mit Humbrol 29 „dark earth“.
Nur gelegentlich (1 -2 x am Tag) befahrene Gleise: Humbrol 170
Selten befahrene Gleise wie Gleisenden vor dem Prellbock, Anschlussgleise, den Prellbock selbst: Testors 1573 „rubber“
Gleisstapel die auf ihren Einbau warten: Humbrol 113
Für die Schwellen habe ich mich entschieden: Humbrol 98 bei Holzschwellen,
Für Betonschwellen Revell 75.
Das Schwellenrost lackiere ich nach dem Verlegen des Gleises mit meiner Spritzpistole (SATA Dekorierpistole mit 0,2 Düse, 1 bar Druck) einschließlich der Profile. Nach dem An- oder Durchtrockenen spritze ich die Profile dann mit sehr wenig Druck (0,2 bar) und einem Düsenabstand von wenigen cm von beiden Seiten. So werden die Schienenprofile und Kleineisen und das direkte Schwellenumfeld, auf das natürlich auch der Stahlabrieb rieselt, im gewünschten Farbton eingefärbt. Ich klebe das Umfeld der Profile nicht ab, der Overspray nuanciert die Schwellen mit einem leichten Farbnebel. Nach dem Durchtrocknen reibe ich die Schienenprofile mit dem ROCO-Rubber blank. Der Abrieb kann zwischen die eventuell zwischenzeitlich geschotterten Schotterkörner fallen und hier bleiben!
Die unterschiedliche Farbgebung der Gleise in Verbindung mit verschiedenen Schotterfarben und- körnungen bringen gerade in umfangreichen Gleisfeldern eines Bahnhofs ein abwechslungsreiches Bild. Den Augen der Betrachter wird durch dadurch die Bedeutung der einzelnen Gleise unterschwellig vermittelt:
Das/die durchgehende(n) Streckengleis(e) mit „frisch“ grau geschottertem Betonschwellengleis und gelbem Rost, die Nebengleise auf Holzschwellen, je nach ihrer Bedeutung gelb oder braun (170) gefärbt, Anschließer, Ladestraße usw. in „rubber“ geben ein abwechslungsreiches Bild der Bahnanlagen. Ein bischen grüne oder braune Vegetation zwischen den Schwellen und den Gleisen, mehr oder weniger üppig in den hinteren Abstellgleisen, überrankte Prellböcke, was will man mehr?
Man kann das ganze noch weiter treiben: An Bahnsteigen, vor Signalen an denen viele Bremsbacken ordentlich Stahlabrieb hervorbringen, wird auch das gesamte Gleisbett stark gerostet aussehen während das vorbeiführende Parallelgleis nur „normal“ coloriert ist.
Zur modellbahnerischen Verdeutlichung des oben Philosophierten ein paar Abbildungen aus meinem bisherigen Schaffen:
Vielleicht könnt ihr´s gebrauchen?
Liebe Grüsse Bruno - bob -