Mal ganz was anderes: Das Barockschloß Köpenick.

  • Das Barockschloß Köpenick


    Lange habe ich überlegt ob es wohl sinnvoll wäre diesen Bericht ins Forum einzustellen. Doch denke ich, daß die Modellbauer mit der Thematik Eisenbahn auch Ästheten sind und daran gefallen finden würden. Schließlich ist die Schilderung der Entstehung eines Modells dieser Art ja auch nicht alltäglich. Da die Bilder nur als persönliche Erinnerung und nicht für die Illustration eines solchen Beitrages entstanden, ist die Folge ein wenig holprig. Auch fehlen Bilder von den Urmodellen für die Gußteile, die teils von den Modellbauern und teils von einer Bildhauerin angefertigt wurden. Das kann also nur angesprochen werden.


    Nachdem ich mit dem erfolgreichen Bau eines Architekturmodells im Maßstab 1:250 meine Feuertaufe als Gruppenleiter hinter mir hatte, hieß der nächste Auftrag Schloß Köpenick samt aller Nebenbauten im Maßstab 1:25. Dieser Auftrag hatte eine ganz andere Dimension, denn es mußten gebaut werden:


    - Das Schloß mit kleinem Anbau und dem neuen Personenaufzug für Behinderte
    - Die Schloßkapelle mit den beiden Küchen- und Wirtschaftsanbauten
    - Der in den Zwanziger Jahren angebaute Speisesaal mit Zwischenbau
    - Der Torbau mit den beiden Torhäuschen
    - Die Holzbrücke über den Schloßgraben


    Als Baustoffe kam Kömacell, ein für die Werbung entwickeltes Material in den Stärken 2, 4, 6 ,8 und 10 mm zur Anwendung. Weiterhin PVC hart und Plexiglas. Als Klebstoffe Köratac für die flächige und Köracoll für die stumpfe Verklebung. PVC auf Plexiglas wurde mit Dichlormethan verklebt. Für die Gießerei Silikon und Polyurethan mit Füllstoff. Die Farbgebung wurde mit Acrylfarben ausgeführt.




    Das Fundament wurde auf einem Gestell aus feuerverzinktem Winkelprofil aufgeschraubt. Alle Gebäude erhielte ein solches Gestell.


    Zuerst wurde aus 10 mm dickem Kömacell das Fundament zurecht geschnitten und nach Zeichnung zusammengeklebt. Die Wände aus 6 mm Kömacell erhielten die Fensteröffnungen mittels Stichsäge. Anschließend erfolgte die Feinbearbeitung mit Raspel und Schleifklötzen.



    Die Pilaster und der Sockel wurden aus 4 mm Kömacell ausgesägt und mit Köratac flächig verklebt. Der Probeaufbau mit Malerkrepp zeigt die große Länge der zukünftigen Modells, nämlich 2,36 m. Parallel dazu baute ich den kleinen Anbau, auch hier ein „Probestehen“.



    Jetzt konnte die Fensterfertigung beginnen. Die Leibungen bestehen aus 2 mm dickem Hart-PVC. In die Leibung wurde eine mit fascal 80 % schwarz hinterlegte 1 mm Plexigasscheibe eingeklebt. Die CNC-gefrästen Fensterrahmen aus 1 mm PVC wurden mit Dichlormethan auf das Plexiglas geklebt. Durch die Kapillarwirkung wird das Dichlormethan zwischen Scheibe und Gitter gezogen der Rest verfliegt sofort. Damit waren auf der Scheibe keine Klebstoffreste oder blinde Stellen wie bei herkömmlichen Plasteklebern. Diese Fensterkästen wurden in die Öffnungen der Fassade fündig eingeklebt. Eventuelle zu große Spalten verspachtel und die Fassadenteile mit dem Schwingschleifer übergeschliffen.


    Im Laufe der Jahre wechselte Schloß Köpenick seinen Besitzer und jeder von ihnen hinterließ seine Spuren. Die typischen barocken Fenster haben symmetrische Fensterkreuze und viele kleine Fensterscheiben. Sie wurden marode und durch Fenster des jeweiligen Zeitgeschmacks ersetzt. Als Schloß Köpenick restauriert wurde hat irgendein Hirnie festgelegt diese Fenster nicht gegen Nachbauten der barocken Fenster zu ersetzen. Damit sitzen in den Fensterhöhlen des Schlosses 12 verschiedene Fensterformen. Diese strahlen den Charme der Fenster von Mietskasernen aus. Nur auf der Hofseite sind barocke Fenster zu sehen und verleihen der klotzigen Fassade durch ihre vielen Scheiben eine gewisse Verspieltheit und Leichtigkeit.




    Die Gewände und Überdachungen wurden aus Kömacell CNC-gefräst. Die Plastiken, die die Überdachungen schmücken, sind von einer Bildhauerin mit spezieller Knete als Urmodelle geschaffen worden. Davon wurden Silikonformen abgenommen und PU-Abgüsse gemacht. In das Polyurethan kam ein Füllstoff aus Plastkügelchen. Dadurch wurde das PU mittels UHU allplast verklebbar.



    Die Urmodelle für die Simse entstanden aus selbstgefrästen und handelsüblichen Plastprofilen, die dann ebenfalls abgegossen wurden. Alle Skulpturen und Reliefe stammen wiederum von unserer Künstlerin.
    Das sechsteilige Dach wurde aus Hart-PVC gebaut und mit gegossenen Ziegelreihen aus PU eingedeckt.


    Damit würde ich gerne die fachlichen Bemerkungen beenden und lieber Bilder mit erklärenden Unterschriften sprechen lassen. Für ganz Neugierige sei bemerkt, daß diese Modell und eine Fülle weiterer im Modellpark Berlin-Brandenburg in der Berliner Wuhlheide ausgestellt sind.


    Der Link zur Hompage: http://www.modellparkberlin.de/


    Mit Gruß vom grünen Strand der Spree und Dahme


    Eberhard

  • Hallo Eberhard,


    ich finde deinen Beitrag hoch interessant und hoffe, dass du weitere Bilder davon zeigst!
    Das tolle am Modellbau ist doch, dass man sich mit verschiedenen Themen und Materialien beschäftigen kann und mit jedem Projekt dazu lernt.

    • Offizieller Beitrag

    Chapeau Eberhard,


    solch ein tolles Bauwerk und die Entstehungsgeschichte dazu darfst Du uns nicht vorenthalten. Gerade im Gebäudebau finde ich, spielt der Maßstab für uns "Beobachter" nicht die große Rolle. Denn die Methoden sind doch weitestgehend maßstabunabhängig.


    Weiter so, bitte.


    Abschließend die Frage: Darf ich den Beitrag umhängen in die Abteilung Bau, Gebäudebau oder ist er nicht für die Öffentlichkeit bestimmt?


    Anmerkung 23.05.2011, der Beitrag wurde für die Öffentlichkeit freigegeben.


    Grüße aus der bei Berlinern sehr beliebten Urlaubsregion "Fränkische Schweiz" nach Berlin-Köpenick
    Rainer

    Kleinreuth-Nord-Logo-supersmall.jpg


    Christopher La Brec: Jeder Mensch verfolgt einen Traum in seinem Leben. Entweder den eigenen oder den eines anderen. Gib acht, das Du Deinen eigenen verfolgst.

  • Servus Eberhard,


    bloß nicht nicht Einstellen, ein sehr interessanter Bericht, was ürigens alle Berichte von Dir sind.
    Würdest Du die Bilder ohne Baubericht reinstellen, könnte man meinen es sind Fotografien von Originalen.
    ich wünsche mir weiterhin solch tolle Berichte :thumbup:
    Gruß
    Rainer K

  • Hallo Forumsfreunde,


    wie ich aus den Antworten ersehen kann besteht Interesse an der Weiterführung dieses Beitrages zum Schloß Köpenick. Ich werde also den Scanner anheizen und die Bilder, von denen ich meine daß sie am besten sind für das Hochladen vorbereiten. Nächstes Wochenende denke ich werde ich sie dann veröffentlichen können.


    Hallo Rainer, Deinem Vorschlag den Beitrag auf einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Platz zu verschieben stehe ich nicht ablehnend gegenüber. Ich werde aber vorsichtshalber mit dem Chef der Firma Rücksprache halten, ob der textliche Teil, der ja in die Tiefe geht, in dieser Form genehm ist. Ansonsten müßte ich ihn verändern bzw. vereinfachen. Ich meld mich dann bei Dir.


    Noch ein Hinweis: In den Beitrag zur Nauener Dieseltankstelle habe ich zwei Bilder vom derzeitigen Aussehen derselben eingefügt! Ich bitte um gefällige Betrachtung.


    Ich wünsche allen einen - hoffentlich unwetterfreien - Sonntag.


    Mit Gruß - Eberhard

  • Hallo Eberhard,
    ich habe ja neulich schon einige Bilder des Schlosses bewundern dürfen. Jetzt kann ich aber erst einmaL nachvollziehen, wie groß dieses Schloß ist.
    Schön, daß Du auch etwas zum Gebäude selbst schreibst- erschließt sich doch damit der derzeitige Zustand.
    Hier kann man den Gebäudemodellbau in Vollendung sehen- ist es wirklich ein Modell- nein- es ist ein kleines Original!
    Der Beitrag zu diesem Schloß ist ganz großes Kino- ich möchte gern mehr davon sehen und hören...


    Einen schönen Sonntag wünscht
    Christian

    Es ziemt sich nicht für einem braven Manne-

    nur nach dem praktischen Sinn einer Sache zu sehen.


    Weisheit eines mir unbekannten


  • Das Barockschloß Köpenick - Die Fortsetzung


    Bei der Weiterführung des Beitrages möchte ich auch Vorbildfotos einbinden. Damit kann der Betrachter dann ermessen mit wieviel Liebe zum Detail die Modelle gebaut worden sind. Ein Vergleich der beiden folgenden Bilder bezeugt das.


    Als ich vor ein paar Tagen die Vorbildfotos machte mußte ich mit Entsetzen feststellen, daß man den barocken Fenstern ihre vielen kleinen Scheiben genommen und durch große ersetzt hat. Deutschland schafft sich eben selber ab.




    Der recht kleine Schloßanbau hatte es aufgrund seiner stark gegliederten Fassaden für den Erbauer doch in sich. Eine nicht geringe Anzahl an Urmodellen und Abgüssen waren zu fertigen. Das Untergeschoß soll ursprünglich offen gewesen sein. Dort saßen bei Hoffesten die Musiker.






    Der Hauptbau erhielt sein Dach aus Hart-PVC und eine Eindeckung mit selbstgegossenen Biberschwanzziegelreihen aus PU. Dazu wurde das PVC angeschliffen und die Reihen mit Kraftkleber aus der Kartusche aufgebracht. Mit den Gauben, der das Dach krönenden Galerie, den Dachrinnen, Fallrohren, Reliefen und Allegorien, war das Schloßmodell fertiggestellt.




    Um die beiden durch die Galerie verbundenen Podeste gibt es eine kleine Geschichte: Wenn der junge Friedrich Gäste hatte und es die Witterung erlaubte, begab man sich auf eines der Podeste. Hier hatte man eine Kegelbahn aufgebaut und die Gesellschaft konnte in dieser einmaligen Umgebung eine ruhige Kugel schieben. Ich finde das als durchaus denkbar.



    Rechts hinten sichtbar ist ein Teil des gewaltigen Modells des berliner Reichstages.



    Das fertige Schloßmodell hat die stolze Breite von 2,36 m!



    Parallel zur Fertigstellung lief schon der Bau der Nebengebäude an. Als erstes wurde die Schloßkapelle mit den Wirtschaftsanbauten und dem Speisesaal begonnen. Die Bauweise war die gleiche wie beim Schloß. Eine Herausforderung der besonderen Art war das Dach der Kapelle. In Zusammenarbeit mit der Konstrukteurin habe ich dann Segmente entwickelt, die in PU mit Füllstoff gegossen und zu den Dachflächen zusammengeklebt wurden. Das war Neuland, hat sich aber bewährt. Die Farbgebung erfolgte mit einer fertigen Lackfarbe „Altkupfer“. Die Skulpturen und Zierrat wieder von unserer Künstlerin geschaffen und in PU abgegossen.




    Probestehen der Wandteile des Modells der Schloßkapelle mit den Wirtschaftsanbauten und dem Speisesaal.



    Die andere Seite in einem fortgeschrittenen Bauzustand aber noch ohne die Treppen und ohne das Kapellendach.



    Die Hofseite der Kapelle. Die Treppen sind angebaut.


    Der Speisesaal ist ein sehr gutes Beispiel wie man ein Gebäude ergänzen kann ohne einen bösartigen Bruch zu machen, wie es heutzutage leider nur noch praktiziert wird. Der Architekt hat unter Verwendung vorgegebener Stilelemente den Bau mit sehr viel Gefühl angepaßt.



    Der Speisesaal wurde angebaut als das Schloß zur Ausbildungsstätte für Lehrer wurde



    Der grottenhäßliche Personenaufzug. Die beiden Fenster im 2.Obergeschoß sind noch im Originalzustand!


    Wenn man aus diesem Blickwinkel den Personenaufzug betrachtet kommt dieser sehr schlecht weg. Der wurde noch nicht einmal farblich angepaßt und fällt so störend auf.


    Ein Obermimer der Architekten der mal gefragt wurde, welches Bauwerk der heutigen Zeit seiner Meinung nach in hundert Jahren als bedeutsam und erhaltenswürdig gelten könne, grinste nur und enthielt sich eines Kommentars. Deutlicher geht's nimmer.


    Als Fortsetzung und Abschluß werde ich noch einige Vorbildfotos und Fotos von den Modellen während einer Ausstellung im Volkspark Berlin-Marzahn (Gärten der Welt) dem geneigten Betrachter präsentieren.


    Mit Grüßen vom grünen Strand der Spree und Dahme


    Eberhard


    • Offizieller Beitrag

    Mir fehlen die Worte, Eberhard. :imsohappy:



    Über eine Stunde habe ich jetzt in Deinem Beitrag geschmökert, die Bilder in Originalgröße angesehen. Einfach überwältigend, was da von Dir/Euch originalgetreu nachgebaut wurde. Die Patina auf den Dächern ist, wie alles andere auch, bemerkenswert.


    Besonders toll finde ich, dass Du extra noch Vergleichsaufnahmen des Originals geschossen hast. Danke Dir! :sehrgut:



    Gruß
    Rainer

  • In dieser Dimension und Maßstab bauen ist wirklich was fürs Auge , lange habe ich mir auch schon überlegt etwas in dieser größenordnung zu bauen , nur wohin soll ich es stellen???
    Auf jeden Fall ein Tolles Gebäude super Bau Danke für die Bilder...


    gruß
    Roman

  • Hallo liebe Freunde,


    hier, wie versprochen, noch einige Vorbild- und Modellfotos von Schloß Köpenick. Beginnen will ich mit einem Bild des Modells das zeigt wie total daneben und störend die äußere Gestaltung ist.




    Das Tor zum Schloßgelände mit den beiden Torhäuschen im Modell von der Stadtseite. Die Brücke war zu diesem Zeitpunkt noch in Arbeit. Dazu einige Vorbildfotos.



    Die Vorbildansicht vom Schloßhof aus.



    Rechts und links vom Schriftzug die Kettenrollen aus der Zeit als die Brücke noch eine Zugbrücke war.



    An den Ecken des Portals waren als Radabweiser für ausfahrende Wagen alte Kanonenrohre eingegraben.



    Die Torhäuschen wurden mit viel Gefühl dem Erscheinungsbild des Portals angeglichen.



    Diese Statue, deren Bedeutung nicht ganz klar ist, steht dem Portal gegenüber. Auch sie ist im Modell zu sehen.



    Der Eingangsbereich des Schlosses.



    Die Fensterüberdachungen sind mit allegorischen Reliefen dekoriert.



    Blick auf das Modell der Kapelle mit den Wirtschaftsanbauten, dem kleinen Zwischenbau und dem Speisesaal.



    An der Traufe des haubenförmigen Daches der Kapelle sind sechs Allegorien aufgestellt. Die vorderen vier sind die Evangelisten Matthäus, Markus, Lucas und Johannes. Hinter Matthäus steht verdeckt Moses und neben Johannes steht Moses` „Keule“ Aaron.



    Auch die Allegorien wurden durch unsere Künstlerin hervorragend nachgebildet.



    Mit einem Foto vom Bau der Kapelle, das mich mit zwei meiner getreuen zeigt, will ich diesen Bericht beenden. Ich hoffe daß er gefallen hat und mancher sich bei einem Berlinbesuch das Schloß Köpenick als Ausflugsziel vornimmt.


    Mit Gruß vom grünen Strand des Spree und Dahme


    Eberhard


    P.S. Für diesen Bericht habe ich mein Avatar entsprechend angepaßt.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Eberhard,


    danke für Deinen sehr interessanten und ausführlichen Bericht. Neben den modellbauerischen Einblicken hat er mir auch eine Reihe von historischen Einblicken gewährt. Eine sehr gute Werbung, Berlinbesucher für Köpenick und seine Bauten zu interessieren. Modellbau vom Feinsten eben! :applaus:


    Mit Gruß und Dank nach Köpenick
    Rainer


    P.S.: Dein geänderter Avatar fiel mir natürlich auf. Er macht sich ganz gut, der Eberhard in historischer Uniform. :sehrgut:

    Kleinreuth-Nord-Logo-supersmall.jpg


    Christopher La Brec: Jeder Mensch verfolgt einen Traum in seinem Leben. Entweder den eigenen oder den eines anderen. Gib acht, das Du Deinen eigenen verfolgst.