BR65 von GFN (West)

  • Hallo Leute!


    Mitte der 1980er Jahre brachte GFN die BR65 der Deutschen Bundesbahn heraus. Für die damalige Zeit ein Spitzenmodell das den Haben-Wollen Effekt bei mir auslöste und sich schliesslich im Kauf zweier Exemplare entlud. Der GFN Standardmotor, vulgo auch wegen seiner flachen Form auch Pfannkuchenmotor genannt, brachte in Verbindung mit dem üblichen Renngetriebe auch für die damalige Zeit nicht ganz so prickelnde Fahreigenschaften. Ein Umbau des Getriebes durch Austausch des Motorritzels gegen eines mit 8 Zähnen und einem entsprechend grösseren Gegenzahnrad zähmte wenigstens den ungestümen Vorwärtsdrang des Modells. Statt dem Kratzen an der 200km/h Marke nun wenigstens erträgliche 100 Sachen. Damit konnte ich leben und so standen die beiden Loks jahrelang im Anlageneinsatz. Meine beiden Loks hatten übriges keine Haftreifen gehabt. Das habe ich nicht als Mangel empfunden, sie konnten trotzdem ohne Mühe standesgemäße schwere Züge befördern.


    Als Weinert den Umbausatz für die BR65 herausbrachte wurde eine Lok damit umgebaut. Die andere Lok bekam schon vorher richtige Pufferbohlen von Günther, blieb aber ansonsten in ihrer Bauform mit Mischvorwärmer. Von diesen Umbauten gibt es kein Fotomaterial, digitale Fotografie war noch nicht erfunden und man verschwendete kein teures Filmmaterial an Zwischenstufen beim Umbau.


    Die Ansprüche an das Material stiegen und um hier die praktische Durchführbarkeit von Konzepte zu beweisen entstand dieser Umbau. Auch ging es hier um Hinterfragung jahrzehntealter Gepflogenheiten bei Antrieb und Fahrwerk. Auch als Wegbereiter für einen Weg hin zu feineren Rad-Schiene Konzepten die trotzdem betriebssicher funktionieren sollen.
    Dafür ist hierzulande die Grenze zwischen Spielzeug und Modellbahn zu sehr verwischt und in den Köpfen der Verbraucher nicht klar genug definiert. Erfreuliche Ausnahmen gibt es jedoch wie z.B. die neue H0 Köf von Lenz.




    Die Lok wurde vollständig zerlegt, selbst die Räder von den Achsen gezogen. Notwendig durch die seit Anfang des 20. Jahrhundert gepflegten Bauweise der geschlossenen Achslager. Damals orientierte man sich an der sog. Platinenbauweise, die von mechanischen Uhrwerken her abgeleitet wurde (Uhrwerkslokomotiven).
    In der Schale befinden sich die Teile des Antriebsstrangs die nicht mehr benötigt werden. Der Rahmen wurde schon teilweise bearbeitet indem die überflüssigen Teile wie z.B. Motorschild abgesägt wurden.
    Darunter sieht man das Konzept des neuen Antriebsstrangs.
    Faulhaber Glockenankermotor, Schnecke direkt auf der Motorwelle, Zwischenzahnrad als Stufenzahnrad und ein aussermittig versetztes Zahnrad auf der letzten Kuppelachse.





    Spektakulärer ist natürlich dieses Bild worüber sich in anderen Foren einige fürchterlich aufgeregt hatten :D
    Aber es ist so wie es ist, der GFN Pfannkuchenmotor ist nicht mehr das Gelbe vom Ei.




    Hier ist der bearbeitete Rahmen zu sehen. Alle ursprünglich geschlossenen Achslager wurden nach unten hin durch Ausfräsen geöffnet. Dabei wurde auch gleichzeitig das Lager der 1. Kuppelachse so bearbeitet, daß die Achse seitlich wippen kann. Die Lager der 2. und 3. Kuppelachse wurden auch etwas nach oben hin Ausgefräst. Hier kommt später eine Federung hin. Nur das Lager der 4 Kuppelachse bleibt nach oben hin unangetastet. Die 4. Kuppelachse bleibt nach wie vor starr gelagert weil hier das Antriebsszahnrad etwas aussermittig montiert wird. Dafür wurde der Rahmen in diesem Bereich Ausgefräst um Platz dafür zu schaffen. Da ich z.Zt. des Umbaus über keine Fräseinrichtung verfügte geschah das freihändig.




    Hier erfolgt gerade die Anpassung von Motor und Getriebe. Deutlich erkennt man die jetzt nach unten offenen Achslager der 2. und 3. Kuppelachsen. Meine Getriebegehäuse baue ich aus 1mm Polystyrolplatten die mit Sekundenkleber zusammen gefügt werden. Man sollte allerdings schon richtig gut Klebstoff nehmen, die üblichen homöopathischen Dosen reichen in diesem Fall nicht aus.





    Der Antriebsstrang steht. Motor wird einfach festgeklebt. Um die Klebefläche des zylindrischen Motors zu vergrössern wird das Gehäuse einfach an einer Stelle durch Schleifen und Feilen abgeflacht. Man erkennt hier deutlich das Spiel zwischen Schnecke und Schneckenrad wie es sein soll. Hergestellt durch Beilagplatten verschiedener Stärke unter dem Motor.
    Die Abfederung der 2. und 3. Kuppelachse erfolg in diesem Fall durch eine Blattfeder die mittig zwischen diesen beiden Achsen fest am Rahmen angebracht ist und deren beide Schenkel jeweils auf die beiden Achsen drücken. Die vorhandene große Rahmenöffnung in diesem Bereich bot diese Lösung an.





    Jetzt kann ein erster Probelauf stattfinden. Die Radsätze lassen sich auch wesentlich einfacher ausserhalb des Rahmens zusammen bauen. Die Herstellung des exakten 90° Versatzes der Kurbelzapfen lässt sich so ebenfalls einfacher herstellen. Auf die Bodenplatte wurden im Bereich der Achslager 2x2mm Vierkantprofile aus Kunststoff aufgeklebt. So bleiben die Radsätze auch beim Hochnehmem des Modell an ihrem Platz. Durch Befeilen dieser Profile wird die notwendige vertikale Beweglichkeit der Achsen wieder hergestellt. Lediglich die 4. Achse bleibt wegen des korrekten Zahneingriffs fest gelagert, hier muß das Profil darunter die Achse von unten mit nur sehr geringem Spiel führen.



    Lohn des Aufwands:






    Eine funktionierende 3-Punktlagerung und ein Antriebsstrang auf Höhe der Zeit.
    Beides mit rel. einfachen Hausmachermittelchen aus einem schon vorhandenem Jahrzehnte alten Modell gemacht.


    Wenn ich mir die Anmerkung erlauben darf:
    Hätte man bei der Konstruktiven Auslegung des Modells von Anfang an darauf geachtet, so wäre der Mehraufwand nur eben die Federchen für die 3. und 4. Kuppelachse gewesen.
    Alles andere hätte konstruktiv berücksichtigt keinen Mehraufwand in Herstellung und Montage bedeutet. Der Mehraufwand wäre nur in den Köpfen von Herstellern und Verbrauchern erforderlich.
    Beim Hersteller einfach dadurch, daß man das bei der Konstruktion von Anfang an einplant.
    Der Verbraucher kann das für sich selber durch ein kritisches Kaufverhalten und auch kritische Nachdenken beeinflussen.
    Mir geht es auch darum ein gewisses Betondenken aufzuweichen.


    Das war es mit diesem Umbau. Kommentare erwünscht.



    Edit: Mai 2013


    Kurz gesagt hier ist u.a. auch an einigen überkommenen "traditionellen" Grundwerten und Festeinstellungen gerüttelt worden.
    Daß eine allgemeine großserientechnische Umsetzung von ausgeglichenen Fahrwerken kommen wird bezweifele ich. Jüngstes Beispiel sind die Henschel Industriedieselloks eines Dänischen Importeurs. Die Mittelschleiferfraktion mag ja mit starren Fahrwerken, Haftreifen und in Verbindung mit überhöhten Geschwindigkeiten ihr Auskommen haben.
    Für den 2L-Bereich resultiert aus solchen Fahrwerkskonzepten, mit sozusagen automatisch eingebauter mangelhafter Stromabnahme, ein erstklassiges Vitrinenmodell. Hier hilft nur ein massiver Eingriff in den Rahmen.


    Zusammenfassung:
    - Ersatz des alten Motors durch einen Faulhaber
    - vollständig neues Getriebe
    => komplett neuer Antriebsstrang
    - komplett neues Fahrwerkskonzept mit Allradauflage
    - mit zum Konzept gehört der minimal möglichste Eingriff in ein Großsereinmodell
    - weitere Bearbeitung nicht ausgeschlossen; Abdrehen der hohen Spurkränze, Verkleinern der viel zu großen Rahmenausschnitte über den Laufachsen

    Mit freundlichen Grüssen


    Lutz

    Einmal editiert, zuletzt von Lutz K ()

  • Hallo Lutz,


    Dein Umbau deckt sich auch mit meiner Auffassung vom Umgang mit solchen Serienmodellen. Soweit ich`s erkennen kann - saubere Arbeit.
    Hat der Fauli noch eine Schwungmasse bekommen und wie sind denn jetzt die Fahreigenschaften? Rangierfahrten möglich?


    Zitat: " Mir geht es auch darum ein gewisses Betondenken aufzuweichen."


    Ein sehr hoher Anspruch, den Du Dir da angesichts der Geschichte der Modellbahnindustrie stellst. Aber warum nicht?


    Schöner Beitrag :!:

  • Hallo Peter!


    Die Fahreigenschaften sind so wie man es von einem Fauli mit ausreichend hoch übersetztem Getriebe erwarten kann, das schliesst auch Rangieren mit ein. Eine Schwungmasse habe ich nicht montiert da ich keine Drehbank habe und daher keine exakt rund laufende Schwungmasse hinbekomme. Bei der doch rel. hohen Drehzahl ist eine wuchtfreie Schwungmasse jedoch unbedingt ein Muss. Anderenfalls hat man ein nerviges Dröhnen und lästige Vibrationen. Also in meinen Fall, so leid es mit tut, habe ich sie lieber wegelassen.


    Ich weiß, daß der Anspruch sehr hoch ist angesichts der Historie der "Elektrischen Eisenbahn" hierzulande. Man kann daher nur versuchen nach der Methode "Steter Tropfen höhlt den Stein" vorzugehen.
    Hier soll aber auch für diejenigen Modellbahner unter uns, die die jetzige Situation nicht hinnehmen möchten, ein möglicher und gangbarer Weg aufgezeigt werden um mit rel. einfachen Mitteln ohne Kostenexplosion zu feineren Modellen zu kommen. Auch gerade hinsichtlich der Fahreigenschaften. Es sind dann aber nicht nur Triebfahrzeuge über die wir hier dann sprechen, auch Gleise, Weichen und Elektrik gehören dazu. Man muß schon das System Eisenbahn, auch Modelleisenbahn, als Ganzes begreifen.


    Erzählst du was man machen kann was geht oder gehen würde, erntest Du nur ungläubiges Kopfschütteln :keeporder: (Das GEHT auf keinen Fall!), Ablehnung :negativ: (Das haben wir schon immer so gemacht!) oder gar offene Feindschaft :beaengstigend: (DAS brauchen wir nicht. DAS ist alles Quatsch!).
    Um ausführlich über Modellbahnpolitik zu diskutieren würde ich denn lieber einen gesonderten Thread im abgeschotteten Bereich anfangen.

  • Hallo Lutz,
    ich bin soeben auf obigen Bericht Deiner BR 65 gestossen. Ich habe meine Lok auch umgebaut. Faulhabermotor von SB Modellbau und sonstige Aktivitäten. Zu Deinem Umbaubericht sind keine Fotos vorhanden! Kannst Du das Bitte ändern. Gruss Herbert.

  • Hallo Lutz,
    nachdem ich eine neue Digi Knipse habe, kann ich jetzt die Fotos von meiner BR 65 ins Forum stellen. Um die hohe Geschwindigkeit (Rasen) zu reduzieren versuchte ich andere Zahnräder einzubauen. Das ging jedoch in die Hose (Motorwelle konnte ich nicht abdrehen da sehr hart) und es kam ein SB Antrieb zum Einbau. Fahreigenschaften sind nun bestens. Des weiteren habe ich die Pufferbohle aufgefüttert.


    Über dem Vorläufer kamen Kunststoffstreifen und MS Schutzbleche zum einsatz.


    So das wars mal wieder.
    Viele Grüsse Herbert.

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