Als relativ neuer User in diesem Forum weiß ich nicht, wie beliebt (oder eben nicht) es ist, alte Themen hochzuholen. Auch wenn in diesem Jahr schon einiges hier gepostet wurde, so hat es sich doch weit von der ursprünglich von Lutz K gestellten Frage entfernt : Wie Rangiert man mit ellenlangem Auslauf? Und auf diese Frage würde ich gerne eingehen.
Ich beziehe mich auf das allererste von Lutz eingestellte Video, indem der Kommentator seinen Throttle erklärt. Diese hat drei Regelfunktionen: Regler, Richtungsumschalter und Bremse. Diese Dreifaltigkeit ist leider (zumindest habe ich den Eindruck) in der Diskussion völlig hinten runter gefallen.
Und die Bremse ist der nämlich der Clou des Ganzen. Die Beeinflussung der Fahrgeschwindigkeit geschieht bei den hierzulande üblichen Reglern ausschließlich über den Reglerknopf: Regler aufdrehen = schneller, Regler zurückdrehen = langsamer, bis zum Halt.
So funktionieren Vorbildloks nicht. Wenn man bei einer „richtigen“ Lokomotive den Regler schließt, fährt sie – zumindest in der Ebene - einfach so weiter wie bisher. Das Beharrungsvermögen des Zuges ist so groß, dass er sogar den Luftwiderstand lange überwinden kann und kilometerlang weiterfährt und dabei nur allmählich langsamer wird.
Wenn der Tf eine schnellere Verlangsamung oder gar einen alsbaldigen Halt erreichen will, betätigt er die Bremse, was sonst. Und genau so macht es der US-Bahner im ersten Video dieses Stranges. Und deswegen ist der „Auslauf“ seiner Lok auch nicht ellenlang, sondern von ihm direkt beeinflussbar. Das Video zeigt er sehr genau seine Zielbremsungen, die auch nicht besonders zeitaufwändig sind.
Wir versuchen unsere Modellbahn so realistisch wie möglich zu gestalten und – zumindest im FREMO und auch in meinem Keller – so realistisch wie möglich zu betreiben. Selbst unseren Stellwerke versuchen wir die Haptik und Anmutung der des Vorbildes beizubringen. Und dann bedienen wir unsere Loks wie ein Spielzeug – völlig unrealistisch. Da ist meines Erachtens die Entwicklungsaufgabe der kommenden Jahre in unserem Hobby.
In meinem Buch „Die Braunlage-Andreasberger Eisenbahn“, das kürzlich erschienen ist, habe ich die Idee eines realistischen Reglers vorgestellt, der die Bedienung der Modelllok sehr derjenigen einer Vorbildlok annähert. Dieser Regler hat – wie die des US-Bahners im Video – drei Bedienelemente: Regler, Richtungsumschalter und Bremse. In der Dampflokversion ist der Regler auch kein Drehknopf, sondern ein Schieberegler, was die Bedienung etwas dampflokmäßiger macht.
Das Entscheidende ist, dass das Rückstellen des Reglers auf Null, besser gesagt also das Schließen des Reglers, keine wesentliche Verringerung der Geschwindigkeit bewirkt. Die wird erst durch Betätigung der Bremse bewirkt.
Und damit es noch vorbildentsprechender wird, hat der Bremshebel drei Positionen: Bremsen, Abschluss und Lösen. In der Stellung Bremsen erhöht sich die Bremswirkung stetig, in der Stellung Lösen verringert sich die Bremswirkung, in der Stellung Abschluss (die durch Loslassen des Hebels eintritt) bleibt die aktuelle Bremsverzögerung erhalten. Das ist schon recht nah am Bremsverhalten einer Vorbildlok.
Mit einem solchen Regler hat eine Lok also keinen „ellenlangen“ oder sonstwie definierten Auslauf, sondern einen (fast) unbegrenzten. Andererseits kann dieser durch Bremsen in fast beliebiger Weise verkürzt werden. Deshalb können auch Zielbremsungen durchgeführt werden.
Mein wunderbarer Regler hat nur einen Schönheitsfehler: Es gibt ihn (noch) nicht, er ist ein Wunschtraum von mir. Und da ich kein Elektroniker bin, kann ich auch keinen Schaltplan vorlegen, wie er herzustellen wäre. Das müssen die entsprechenden Fachleute und Koryphäen tun.
Mit diesem Beitrag würde ich den Strang gerne auf die Eingangsfrage zurückbringen und würde mich freuen, wenn ein paar Leute in diese Richtung mitdenken würden. Es geht darum, den letzten Spielzeugbereich unseres wunderbaren Hobbys zu überwinden.
Grüße vom Ostrand des Ruhrgebietes
Otto (OOK)