Hallo,
oft wird der Begriff "RP25" verwendet wenn es um feinere Radsätze geht ohne dabei zu wissen was genau das nun eigentlich ist.
Der Begriff kommt aus dem amerikanischen und bedeutet "Recommended Practice", übersetzt ins deutsche etwa empfohlene praktische Anwendung.
Tatsächlich ist die RP-25 aber nur ein Teil einer ganzen Kette von Normen die aufeinander abgestimmt sind. In den USA hat die NMRA (Nationale Vereinigung der Modelleisenbahner) es schon seit vielen Jahren geschafft Normen für Modelleisenbahnen auszuarbeiten, zu veröffentlichen und, noch viel wichtiger, die Modellbahnindustrie zur Mitarbeit bewegen können. Als einer der größten Erfolge für den Modellbahner ist zu werten, daß sich tatsächlich ALLE Hersteller von US Modellbahnen an diese Normen halten.
Von diesen Zuständen in Sachen Kompatibilität und Austauschbarkeit sind wir hier in Deutschland leider immer noch weit entfernt. Es gibt zwar eine europäische Entsprechung der NMRA, der MOROP und dieser hat auch Normen für die europäischen Modellbahnen (NEM) ausgearbeitet und veröffentlicht.
Jedoch macht die Modellbahnindustrie hier nicht mit.
Jeder Modellbahnhersteller von elektrischen Eisenbahnen, lässt nur nach seiner Werksnorm produzieren. Für den Modellbahner ist das unerquicklich, weil hier viele Komponenten nicht richtig zusammenpassen oder bestenfalls nur in einer Art Notbetrieb irgendwie behelfsweise zusammen laufen.
Als Einschub, die Ursachen dafür liegen in der historischen Entwicklung der Modellbahnen begründet.
Damals gab es in der alten BRD Anno Nachkrieg Anfang der 1950er Jahre 3 Hersteller von Elektrischen Eisenbahnen:
- Märklin
-Trix
- Fleischmann
Allen gemeinsam war:
- die Nennung der Baugröße "H0"
- das nominelle Maß der Spurweite von 16,5mm
- Küchentischfähig
Und danach war es vorbei mit den Gemeinsamkeiten.
Weder vom Maßstab:
- Märklin 1:87,
- Trix 1:90,
- Fleischmann 1:82,
Noch vom Stromsystem:
- Märklin WS,
- Trix WS, aber andre Art Der Fahrtrichtungsänderung, später GS,
- Fleischmann GS
Der Stromzuführung:
- Märklin Mittelleiter, nicht isolierte Radsätze
- Trix 3 Leiter, isolierte Radsätze
- Fleischmann 2L, isolierte Radsätze
Den Radsatzmaßen,
den damit verbundenen Weichenmaßen,
den Kupplungen,
war irgend etwas kompatibel miteinander.
Kurz gesagt, es war nicht möglich Fahrzeuge frei auszutauschen.
Lediglich Trix bot ab 1960 herum einige Modelle in International Ausführung für 2L an, so wie Austauschradsätze und -Kupplungen für die Wagen. Das waren von den Herstellern ganz geziehlt angelegte Inkompatibilitäten um den Kunden bei der Stange zu halten und ausschliesslich auf die eigenen Produkte zu fixieren.
Daneben gab es noch die sog. Kaufhausbahnen, die aber in einer anderen Liga spielten und als nicht ausbaufähige Systeme hier nicht betrachtet werden.
So war die Welt der Elektischen Miniatureisenbahn bis in die 60er Jahre festgefügt und als Kinderspielzeug gedacht. Erwachsene die sich damit beschäftigten wurden von den Herstellern schlicht als Spinner abgetan. Der Vater musste schon einen Sohn haben um die moralische und gesellschaftlich anerkannte Berechtigung zum Kauf einer Elektrischen Eisenbahn zu haben, so waren die Zeiten in der Epoche 3 damals.
Bis dann irgendwann einmal die Firmeninhaber feststellten, daß sie ihre Bähnchen auch an Väter verkauften welche nur Töchter hatten oder gar an Erwachsene ohne Kinder. Auf einmal wurden die Spinner als Kaufkraft wahrgenommen.
Darauf gab es auf einmal auch richtige Modelle, d.h. keine irgendwie stilisierten Nachempfindungen, sondern genaue Verkleinerungen der großen Vorbilder, die in den Augen der Erwachsenen Kunden bestehen sollten.
Auch erkannte man, daß man im, bislang durch die Inkompatibilitäten geschützten, Reservat des Mitbewerbers wildern musste. Trix hatte ja schon den Anfang mit seinen Inernational-Modellen und Austausch-Radsätzen und -Kupplungen gemacht, Märklin zog mit 2L Hamo Lokmodellen und Austauschradsätzen nach und Fleischmann liess sich zu Austauschkupplungen hinreißen.
Anfang der 1970 Jahre erschien Roco als Newcomer auf dem westdeutschen Modellbahnmarkt und mischte diesen allergründlichst auf. Damals richtige Modelle, ein richtiges Gleissystem abseits von den Erfordernissen für den Küchentisch und keine überzogenen Preisvorstellungen.
Aber in 60 Jahren hat sich die Welt weiter gedreht und die technische Entwicklung ist nicht stehen geblieben. Radsätze und Gleis, hier insbesondere die Weichen, haben sich seitdem zwar etwas angenähert, aber ...
Das große ABER ist die immer noch vorhandene Grobschlächtigkeit der Radsätze und Weichen. Analog zum Bruchrechnen wo es den Term des kleinsten gemeinsamen Nenners gibt, hat man sich hier, ich beziffere es so, auf den "Gröbsten gemeinsamen Nenner" geeignet. Die häßlichen riesigen Spurkränze und noch häßlicheren abgrundtiefen Herzstücklücken wirken wie Überbleibsel aus der Zeit der ersten Blecheisenbahnen. Mit diesem Material kann trotzdem nur so eine Art Behelfsbetrieb stattfinden.
Man beobachte nur wie serienmässige Radsätze über serienmässige Weichen regelrecht rumpeln. Das sogar auch wenn Fahrzeuge und Weichen vom selben Hersteller sind.
Der Grund für diese Grausamkeiten ist in dem Prinzip des gröbsten gemeinsamen Nenners mit seinen riesigen Toleranzfeld zu suchen. Hier müssen Kompromisse eingegangen werden die alles andere als vorbildgerecht sind.
So sind alle Weichen der traditionellen Marken für den Spurkranzauflauf vorgesehen. D.h. weil die Herzstücklücken so breit sind reicht es nicht mehr, daß die Radlauffläche den Spalt zwischen Herzstückspitze und Flügelschiene überbrücken kann. Als Notbehelf soll dann die Spitze des Spurkranzes auf dem Grund des Herzstücks laufen.
Wie sich jedoch tatsächlich ein Eisenbahnrad über ein Herzstück bewegt soll dieses Video zeigen:
Auch wer des Englischen nicht mächtig ist, die farbigen Animationen zeigen es deutlich.
Zuerst ein Code 110 Rad auf den Herzstück, das auch für Code 110 Räder augelegt ist. Man sieht wie das Rad von der Flügelschiene auf die Herzstückspitze überwechselt. Die Breite der Radlauffläche des Code 110 Rades ermöglicht das ohne Einzusinken. Wie das Vorbild kommt man hier im übrigen ganz ohne Spurkranzauflauf aus, die Spurkranzhöhe spielt keine Rolle.
Ab etwa Minute 3:00 werden Code 88 Räder auf Herzstücken für Code 110 gezeigt und warum die 88er Räder in das Herzstück fallen. Man ist wieder bei einem Behelfsrumpelbetrieb angelangt, zwar auf höherer Ebene, aber eben doch Rumpelbetrieb.
Ab 3:50 wird der Behelf mit dem Spurkranzauflauf gezeigt. Aber das funktioniert richtig nur mit einheitlich hohen Spurkranzhöhen, auch hier ist die elektrische Eisenbahn noch weit entfernt davon. Im Endeffekt auch wieder Rumpelbetrieb wie bei dem alten gröbsten gemeinsamen Nenner.
Der erste Teil des Videos zeigt den Idealzustand, Weichen, Rad und Radsatz sind aufeinander abgestimmt.
Alle Hersteller von Weichen in den USA halten sich an dieses abgestimmte System.
Dagegen sind die Weichen fast aller hiesigen Anbieter nach dem Prinzip des gröbsten gemeinsamen Nenners für den Spurkranzauflauf ausgelegt. Lediglich 2 Ausnahmen gibt es: Tillig Elite und Weinert Mein Gleis. Die Weichen dieser beiden Hersteller haben keinen Spurkranzauflauf, vorausgesetzt die Radlauffläche ist breit genug (Code 110).
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