Rocofantenheilkunde

  • Hallo,


    es ist ja nun ein offenes Geheimnis, daß die Qualität bei Roco in den letzten Jahren im Allgemeinen stetig nachgelassen und auch sehr schwankend geworden ist. Bei in den letzten Jahren ausgelieferten Produkten ist das teilweise schon zu einer Art Glücksspiel ausgeartet einwandfreie Ware zu bekommen.

    So auch hier in diesem Fall.


    Konkret geht es dabei um 2 baugleiche Dieselloks die zusammen in einem Consist fahren sollen. Nun bin kein Freund von Dummy-Loks und Haftreifen. Des weiteren halte ich eine aktive Lastregelung im DCC Betrieb für erforderlich. Meine Loks sind mit Sounddecodern ausgestattet die eine dynamische Ablauf- und Soundregelung aufweisen von der ich auch Gebrauch mache. Jetzt wollte eine der Loks nicht so wie sie sollte. Es gab Schwierigkeiten beim Anfahren, diese Lok hatte Mühe in die Gänge zu kommen. Wohlgemerkt bei spielzeughafter Fahrweise wäre das jetzt nicht aufgefallen, so Beschleunigungsrate auf 200-in-sofort und bumms läuft die Kiste. Nein da wird ganz sanft und ganz langsam angefahren, z.B. beim Ankuppeln wo sich dann die Klauen der Kadee Kupplungen beim Andrücken in Zeitlupe öffnen und dann mit einem leisen fast unhörbaren Klick kuppeln.

    Das schwerfällige Anlaufen des Motors hat die dynamische Soundregelung gemerkt und akustisch mit ensprechend höheren Drehzahlen des Dieselmotors reagiert. Bei der anderen Lok dagegen befand sich der Motor noch im Leerlauf.

    So ein typischer Fall von wie die Loks arbeiten gegeneinander und der Schrei nach Dummies.


    Da ich aber Dickbrettbohrer bin, habe ich nach den tatsächlichen Ursachen gesucht. Man kann, vorausgesetzt man gibt sich Mühe, mit den entsprechenden Einstellungen der PID Regelparameter als auch der Abtastrate und der Meßlücke Werkstoleranzen ausgleichen. Hier jedoch war das nicht mehr zu bewerkstelligen; der Motor lief zu ungleichmässig an. Der PID Regler reagiert dann mit heftigeren Ansteuerimpulsen weil die Rückmeldeimpulse für die BEMF ausbleiben und der dynamische Soundregler lässt den Motor aufheulen.

    Praktisch stand dann die Lok mit akustisch röhrenden Motor und bewegte sich nicht von der Stelle. Erst wenn so um Fahrstufe 10 am Regler aufgedreht war, setzte sie sich mit einem Ruck in Bewegung. Rasselbocksprungbahn war doch Anno Gestern?


    Also in den sauren Apfel beissen und den Motor ausbauen:

    dsc03279ijjy7.jpg

    Das ist der unwillige Kanditat. Die Striche auf den Schwungmassen und dem Anker habe ich gemacht, sie dienen später als Orientierung für das Wiederaufpressen der gewuchteten Schwungmasse damit sie wieder genau in die Position kommt wie sie vorher war.





    dsc03280pbkoy.jpg

    Die Schwungmasse am Kollektorende wird abgezogen, das mache ich mit einem modifizierten Fohrmann Radsatzrichtgerät.

    Die beiden Schleifkohlenführungen lassen sich ausrasten und abnehmen.

    Dann werden mit einer Spitzzange die was taugt die beiden Laschen des Motorgehäuses aufgebogen und das Lagerschild kann abgezogen werden. Dabei achtet man auf die Beilagscheiben auf der Motorwelle. Diese sollten beim späteren Zusammenbau wieder genau so montiert werden wie vorher.





    dsc03282m9kfn.jpg

    Der Motor ist nun wirklich nicht viel gelaufen, aber der Kollektor weist schon eine Menge an Riefen und Abrieb in den Nuten auf.





    dsc032833oj87.jpg

    Der Restmotor wird an der verbliebenen Schwungmasse ins Futter eingespannt.

    Hinweis für diejenigen die über keine Drehbank verfügen: Wenn man die 2. Schwungmasse auch noch abzieht, kann man das Wellenende diekt in ein handelsübliches Bohrfutter einspannen.

    Dann wird der Kollektor mit zurechtgeschnittenen Streifen aus Schleifpapier mit Leinenbindung zuerst mit Körnung 150 abgeschliffen. Anschliessend mit Körnung 500 oder feiner geglättet.





    dsc03284ppj1u.jpg

    Danach werden die Nuten mit der Klinge eines feinen Schraubendrehers freigestochen.





    dsc032858jkkd.jpg

    Das Umbiegen der Laschen erfolgt mit einem Hammer und einem passenden Dorn nachdem man den Motor am anderen Ende entsprechend unterstützt hat (Kraftfluß beachten!). So vermeidet man eine krummgeschlagene Welle. Man braucht die Laschen nur so weit wieder umzubiegen bis daß der Schild fest ist. Weiter biegen bringt nichts.





    dsc0328663k5r.jpg

    Das Innere der Schleifkohlenführungen wird gereinigt, ebenso die Schleifkohlen selber. Dazu reisse ich Fetzen von Einweg Küchentüchern ab und stopfe sie mit einer spitzen Pinzette hinein.





    dsc032873ukq8.jpg

    Dann wird die Schwungmasse wieder aufgepresst. Die vorher angebrachten Markierungen helfen jetzt die Schwungmasse im richtigen Winkel zum Anker zu positionieren.

    Auch hier verläuft der Kraftfluß senkrecht durch die senkecht stehende Welle.


    Danach wird der Motor einem analogen Probelauf unterzogen. Das Laufgeräusch ist jetzt lauter als vorher. Das wird sich jedoch geben wenn sich die Bürsten auf dem jetzt glatten Kollektor eingespielt haben. Jedenfalls läuft der Motor auch schon bei kleinen analogen Spannungen zuverlässig in jeder Stellung an und läuft auch bei geringsten Drehzahlen "rund" was er vorher nicht gemacht hatte.


    Wieder in die Lok eingebaut zeigt sich endlich wieder das erwünschte Verhalten. Ruckfreies Anfahren und dabei tuckerte der Motor akustisch in der Leerlaufdrehzahl. So kann man sich jetzt mit einem immer noch im Leerlauf an einen Zug herantasten. Erst wenn die Lok auf den Zug aufgelaufen ist und sich die Masse des Zuges als Belastung bemerkbar macht dreht der Motor akustisch hoch. Der PID Fahrregler hält die tatsächliche Drehzahl des elektrischen Antriebmotors des Modells konstant auf den eingestellten Wert, während die dynamische Soundregelung gleichzeitig den Diesel wegen der tatsächlich größeren Belastung (E-Motor muß stärker nachgeregelt werden) akustisch hochdrehen lässt.

    Mit freundlichen Grüssen


    Lutz

    Einmal editiert, zuletzt von Lutz K ()