Wir schreiben Montag, den 16.April 1962, der Montag der Karwoche (vor Ostern). Am Karfreitag kommt traditionell Fisch auf den Tisch, was bedeutet, dass spätestens am Wochenanfang die Hochseefischer ihre Fänge anlanden müssen damit sie am Gründonnerstag auf Eis in den gefliesten Auslagen der Fischhändler im Binnenland bereit liegen.
!962 waren private Telefonanschlüsse noch nicht von „Kreti und Pleti“ erschwinglich und Informationen, z.B. zum Arbeitseinsatz wurden über öffentliche Sender im Radio verbreitet.
So tönte es am Ende der Sendung „Rundschau am Nachmittag“ aus dem Nordmende „Elektra“—Radio auf dem Küchenschrank in der Wohnküche:
„Und nun noch die Informationen für die Arbeitskräfte im Geesthavener Fischereihafen: Um 22 Uhr ist Arbeitsbeginn für die Gänge 2, 3 und 4 mit ihren Vorarbeitern, um 24 Uhr alle Gänge sowie der gesamte Tampen*. Erwartet werden die Fischdampfer NÜRNBERG, HEINRICH BECK, CORD H. HAAKE, HANS BÖCKLER und CARL KÄMPF sowie zwei isländische Importer“. (* "Tampen" war die Bezeichnung für alle „nichtständigen“ Arbeiter im Fischereihafen)
Die Nennung der Fischdampfernamen war wichtig für alle Angehörigen der Besatzungsmitglieder, die so mit ihren Lieben in der recht kurzen Zeit der Hafenliegezeit in Kontakt treten konnten. Es war üblich, dass die Ehefrauen ihren Männern die Heuern gleich am Kai abnahmen bevor sie in den Hafenkneipen ausgegeben werden konnten.
Begeben wir uns in den Fischereihafen von Geesthaven um dem nächtlichen Treiben zuzusehen (komischerweise ist es hier in der Nacht taghell 😉).
Die meist nächtliche Anlandung mit der gleich darauf erfolgenden Auktion des Fanges ermöglicht den Fischgroßhändlern die zeitnahe Verarbeitung der ersteigerten Fische damit am frühen Nachmittag die verarbeiteten Fische (Filets) konfektioniert für die Zielgebiete der Bahn am Fischbahnhof aufgegeben werden können. So gegen 16 / 17 Uhr traten die Fischzüge (Sg) ihre schnelle Reise zu den Empfangsbahnhöfen an.
Die angekommenen Fischdampfer haben am Auktionskai nur provisorisch festgemacht, so dass die Luken zu den Fischräumen zu den Toren in der Auktionshalle passen. In den nächsten Stunden ist die Besatzung mit dem Löschen (Entladen) der gefangenen Fische beschäftigt, danach verholt der Fischdampfer an den Kai der jeweiligen Reederei um erneut für die nächste Fangreise ausgestattet zu werden. Mehr als 2-3 Tage „Urlaub“ war für die Besatzung nicht drin.
Sehen wir uns die Fischdampfer einmal an und beginnen mit der HEINRICH BECK, einem klassischen Seitentrawler der letzten gebauten Generation bevor die Heckfänger die Auftragsbücher der Werften füllten. Die Seitenfänger blieben weiter in Fahrt bis sie ihren "Ertrag" eingefahren haben:
Die CORD H. HAAKE stammt aus "gleichem Haus", allerdings sind die Unterkünfte der Mannschaft noch weniger komfortabel was ein Deck weniger aufzeigt; die Männers sind "klassisch" im Vorschiff untergebracht:
Der Fischdampfer NÜRNBERG, den Foristi schon aus vorherigen Beiträgen bekannt, konnte wegen eines Mastschadens im Ärmelkanal nicht wie angekündigt einlaufen. Fahren wir deshalb mit den moderneren Heckfängern fort.
Da ist zunächst der erstgebaute deutsche Hecktrawler (die Briten waren da schon jahrelang voraus), der CARL KÄMPF :
Ein zweites Schiff aus dieser Ära, die HANS BÖCKLER, weist eine andere Bauphilosophie aus; man experimentierte viel in dieser Zeit. Die Reederei GHG, der Gewerkschaft nahestehend, hatte mehr Arbeitskomfort für ihre Sailors im Auge.
Die fischverzehrorientierten Tage brachten auch Frostfische aus ferneren Ländern an die Ladentheken. Am Kühlhaus liegt ein kleines Kühlschiff der Reederei Heinrich C. Horn aus Hamburg. Heinrich Horn lies eine kleine Flotte kleiner Kühlschiffe bauen, die (trotz ihrer geringen Größe) in der weltweiten Frostschifffahrt tätig waren. Hier die MIMI HORN:
Auch die Heringsfischer mit ihren Loggern sind am Karwochengeschäft mit beteiligt. Sie landen ihre Kantjes mit Salzheringen am hauseigenen Kai an:
Was ist sonst noch los im Hafengebiet?
Am Silogebäude der GUG (Getreide Umschlag Geesthaven) wartet die HORE TRADER, registriert in Liberia, auf das Löschen (Entladen) ihrer Ladung:
Leider müsste das Ensemble noch einmal 1,5 Meter länger sein; aaaber, . . .
Am Fischversandbahnhof ist schon eine Schlange beladener Fischwagen bereitgestellt:
Jetzt muss sich nur noch eine schnelle 41er aus dem Bw an die Zugspitze setzen. Dann steht dem "Nachtsprung" in die Mitte der Republik nicht mehr entgegen:
Vorher poltert aber noch eine Übergabe über die Klappbrücke am ""Heringskai":
Hier noch ein wenig Altpapier zu den realen Verkehren, allerdings aus dem Jahr 1969:
Die Sg fahren auf den Pz-Gleisen am Rbf vorbei und sparen so einige Stunden einer etwaigen Behandlung am Berg.
In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch der Sg5508 interessant, der 5510 sowieso:
Soweit der kleine Ausflug in die Zeit vor 60 Jahren. Wer sich für die Arbeit auf den Fischdampfern und im Hafen interessiert, sei auf die folgenden Film bei YT hingewiesen:
In diesem Sinne: Häppi Ihstern!