Hallo zusammen!
Bei meinem württembergischen Anlagenthema spielt die Klasse C (später BR 18.1) aka "schöne Württembergerin" eine Hauptrolle. Was habe ich mir beim Erscheinen der Märklin Interpretation in den 90ern die Nase am Schaufenster des Spielwarenhändlers aufgrund des damals für mich super (und zu teuren) Modells die Nase platt gedrückt. Was ich nicht wußte (damals völlig der 3L-Welt verhaftet) - Roco hatte schon über 10 Jahre vorher ein Modell kreiert, das im Detail (meine ich) Maßstäbe setzte, und heute immer noch eine solide Bastelgrundlage darstellt. Allerdings war die Farbwahl eigen und viele unlackierte Kunststoffteile machten keinen Hehl aus ihrem Material. So sah die Basis meines aktuellen Umbaus damals aus:
Mit etwas "Liebe" kam das heraus:
Der Weg dorthin: Bei meinen Nachforschungen zu der Lok stieß ich glücklicherweise auf die jahrelangen Recherchen zum Thema Farbgebung in Württemberg von Dirk Wenzel, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für seine Ausdauer und die Dokumentation seiner Ergebnisse danke. Roco's damaliges Grün war demnach nicht dabei. Das märklinsche Hellblau aus den 90ern am Kessel war in Wirklichkeit sehr wahrscheinlich von der Erscheinung her ein blinder Spiegel, was man auf Schwarzweiß-Aufnahmen durchaus nachvollziehen kann. Dieser färbte sich z.B. bei blauem Himmel bläulich.
Nun galt es, diese Erkenntnisse erst mal mittels käuflicher Farben umzusetzen. Keine so leichte Aufgabe. Das Glanzblech sollte in meiner Vorstellung (als alter "Metaller") silber glänzen und Farbe bestenfalls durch Umgebungslicht annehmen. Einen silbernen Glanz mit räumlicher "Tiefe" und verschwindend kleinen Partikeln konnte ich am Ende bei den Flugzeugmodellbauern orten: Hersteller Alclad II mit deren empfohlener hauseigener Grundierung aus Glanzschwarz. Hier der Weg dorthin (hauptsächlich Alclad und Mr Color Produkte):
Wie man sieht, wurde auch gleich Messing und Kupfer mitgenommen. Viele Fahrwerks- und Gestängeteile waren bei den Württembergen blank gehalten. Da konnte ich einen weiteren brauchbaren silber-Ton (Mr Color “Super Metallic 2” Sortiment, auch für Cu- und Ms-Teile) aus obigen Versuchen mitnehmen.
Die Taubenblau/grau-Interpretation aus den 90ern an den Aufbauten war laut Recherchen eher ein dunkles Grau. Auch hier einige Versuche mit Elita Farben (eingesetzt wurde dann RAL 7021):
Die Räder trugen eine Mischung aus Oxidrot und Tomatenrot - geht etwas in ein dunkles Orangerot. Die Mischung war mit Dirks Einschätzung schnell gefunden. Rechts reines Oxidrot und nach links immer mehr Tomatenrot dazu (auch Elita). Aufgebracht wurde der 2. von Links - 2 Teile Tomatenrot, ein Teil Oxidrot.
Vor dem Lackieren habe ich die Räder mittels Handgalvanik zunächst mit alkalischem Kupfer überzogen, um sie danach schwarz zu Verchromen. Der entstehende Farbton kommt ähnlich matt und unauffällig heraus wie Fleischmann Räder früher (bevor sie von Roco kamen). Erheblicher Vorteil der Galvanik ggü. Brünieren: Die Stromaufnahme leidet nicht. Das ist glaube ich einigen Modellbahnkollegen gar nicht klar, die dann nach leichter Radreifen-Brünierung Pufferkondensatoren einbauen müssen. Bei der Lok habe ich erst mal bewußt auf RP25 verzichtet. Die Kunststoff-Radsterne sind überraschend filigran. Filigraner als die neueren aus Metall. Auch besitzen diese Räder zum Glück noch richtige Schrauben und keine rastenden Kunststoffwiederhaken. Die 40 Jahre alten Spurkränze laufen übrigens einwandfrei auf Code 75 Profilen.
Anmerkung für die Länderbahn-Experten: Leider konnte ich in Ermangelung einer Drehbank den Rädern keine silbernen Radreifen Stirnflächen verpassen. Ohne eine solche kommen zumindest bei mir exzentrische Ergebnisse heraus, die bei Fahrt dilettantisch aussehen. Daher nicht umgesetzt. Außerdem ist das "Württemberg" Schild zu groß geraten. Auch hätte man an der Rauchkammertür und am Stehkessel noch mehr graue Akzente einsetzen können. Hinten am Tender fehlt der richtige Bremsschlauch.
Erst mal alles zerlegen und gründlich säubern/entfetten
Nach dem Lackieren
Natürlich kam auf dem Weg auch LED Beleuchtung zum Zug wie auch Sound. Ich gehe hier nicht zu sehr ins Detail - im Grunde werfe ich grundsätzlich erst mal die Entstörung komplett raus. Dann wird die Stromaufnahme sowohl von Motor als auch Beleuchtung sauber getrennt. Wenn möglich, ziehe ich das Chassis für Masse mit heran, aber bei den Plaste-Radsternen hier kann man es sich schenken.
Ich nehme gern kleine Stecker mit Rastermaß 1,27 mm als lösbare Verbindung vom Tender zur Lok. An der Deichsel halte ich sie mittels einem angelöteten, zusammengerollten 0,2 mm Cu Streifen über dem Nachläufer.
Ein fertiger 13x18 Zimo-LS wird in den Kessel geklebt (den Platz dafür habe ich aus dem leicht herausnehmbaren Kesselgewicht gesägt). Genau darunter fräse ich ein 5 mm Langloch in das im Bild abgenommene Langkesselstück. Welches serienmäßig geklebt war, aber der Kleber war alt und "willig"
Hier die kleine Stromabnahme-Platine über dem Chassis. Neue Kabel wurden einfach mit Sekundenkleber befestigt. Mit dünnen Brawa-Litzen geht das einwandfrei.
Das Tendergewicht habe ich etwas ausgefräst, um für einen PluX22 Sounddecoder samt Tams Schnittstellenplatine Platz zu schaffen. Zusätzlich benötigt man noch die hohe Kohleimitation der neueren Roco 18.1er.
Eingesetzt habe ich einen Zimo MS450 Decoder (der erste Zimo für mich). Man kann der Lok trotz ihres Alters gute Langsamfahreigenschaften beibringen. Wobei man sagen muß , daß die mechanische Konstruktion sich nie geändert hat. Lediglich der Motor wurde modernisiert (besitze inzwischen u.a. die erste und letzte Serie) und ein Zahnrad im Lokgetriebe von Kunststoff auf Messing getauscht. Eine Marotte kann man der Urversion hier nicht austreiben - bei langsamer (nur digital möglicher) Rückwärtsfahrt gibt es einen kurzen Geschwindigkeitsbereich mit sichtbarem Längsrucken.
LEDs sind bei mir selbstverständlich. Leider kommen auch "warmweiße" oder "golden white" manchmal zu kalt raus. Ich bemale diese dann mit einem orangen Staedtler Lumocolor 352-4, um das gelbliche Licht von Gasleuchten hinzubekommen. Die Fardschichtdicke bestimmt den Effekt (im Bild dem gelben Kabel folgen - das orangene Rechteck ist der Ersatz für die Originalbirne.
Nach dem Lackieren wurde noch mit Ölfarben (Hersteller: Abteilung 502) gealtert, um sowohl den Orangeton als auch das Grau abzudämpfen. Ölfarben halte ich für sehr Anfänger-geeignet, man kann tagelang korrigieren. Mir gefallen die entstehenden Kontraste. Die "Story" dazu - weil die Lok-Mannschaft mit dem sauber Halten des Kessels so geplagt ist, werden die grau lackierten Partien - vor allem der Tenderaufbau etwas vernachlässigt. Auch Kuppelstangen und Steuerung, die Brünierung sehr schlecht annehmen, wurden mit Ölfarben behandelt. Das verbleibende Silber finde ich durchaus realistischer für diese Epoche als sehr in Richtung schwarz zu gehen.
Hier noch mehr Bilder. Schilder übrigens von Ostmodell in (meine ich) zeitgenössich sehr passendem Bronce-Ton (kommt unter Kunstlicht dunkler raus):
Vorne kam eine OBK Kupplung zum Einsatz, die richtig justiert wunderbar mit "meinen" Fleischmann Bügelkupplungen funktioniert
Wirklich gut gefällt mir die optische "Tiefe" des Alclad II Lackes, der die Kesselform sehr schön betont. Wenn die Lok unterwegs ist, funktioniert der "blinde Spiegel" ganz famos und leichte Reflexionen passierter Gegenstände zeigen sich, ohne aber ins Spielzeughafte abzudriften, obwohl zur Abwechslung nicht matt lackiert wurde. Klarlack habe ich mir bewußt geschenkt - mit dem Risiko einer empfindlichen Lackoberfläche. Ich wollte den Stahl-Effekt keinesfalls dämpfen. Auch die Blaufärbung unter bläulichen Lichtquellen klappt wie sie soll (im Bild einfach kaltes LED Licht)
(Die Kesselringe wurden übrigens ebenfalls lackiert. Ein Vorteil ohne Klarlack - verschiedene Glanzgrade von Ring zu Kessel.)
Noch eine Anmerkung zu den Zurüst-Kunststoffteilen - diese sind noch flexibel wie am ersten Tag und haben der einen oder anderen Schusseligkeit widerstanden. Sie sind allerdings - vermutlich hängt es damit zusammen vom Material her - keine Freunde von Lack. Die Haftung ist äußerst mäßig, egal was ich bisher versucht habe (ich bleibe aber hartnäckig dran und berichte im Erfolgsfall). Das könnte ein Grund sein, warum sie serienmäßig unlackiert blieben. Aber es hat geholfen, meine Pinselkünste (ich bevorzuge die Airbrush) beim Ausbessern etwas auszubauen
Viele Grüße
Bernd