Grüßt' Euch zusammen!
Weiter geht es mit dem zweiten Teil, der die Suche nach der günstigsten Strecke für
den ersten Teilbereich von der Station Wolnzach bis zur Haltestelle Wolnzach Markt
näher betrachtet.
3) Die Planung des Streckenabschnitts Station Wolnzach nach Wolnzach Markt
Da im Planungsziel der Markt Wolnzach als erster Fixpunkt der Streckenführung festgelegt
worden war, galt es bereits auf den ersten Kilometern eines der Haupthindernisse der
vorgesehenen Gesamtstrecke zu überwinden, den Höhenzug, der die Wasserscheide
bildet zwischen dem Ilmtal, in dem sich die Station Wolnzach befindet, und dem
Wolnzachtal, an deren Ufer der Markt gleichen Namens liegt. Die Überwindung des
Höhenzuges galt als besonders schwierig, weil er einerseits im in Frage kommenden
Bereich keine signifikante Einsattelung aufweist, sondern bis nahe zur Vereinigung
der beiden Täler recht gleichmäßig verläuft und erst hier, bei Burgstall, jäh abfällt,
andererseits die Entfernung vom Ausgangspunkt der Strecke in der Station Wolnzach
bis zum Scheitel des Höhenzugs sehr knapp ist mit entsprechenden Auswirkungen auf die
Steigungsverhältnisse. Drei mögliche Streckenverläufe wurden in Vorerhebungen näher
betrachtet, um die günstigste Verbindung zwischen der Station Wolnzach (399,95 m über
Normalnull) und dem Markt Wolnzach (411,50 m über Normalnull) zu ermitteln: eine
südliche Streckenführung über Lohwinden (höchster Punkt 448,00 m über Normalnull),
eine nördliche im Ilm- und Wolnzachtal unter Umgehung der Wasserscheide sowie eine
mittlere über Burgstall (höchster Punkt 430,95 m über Normalnull).
Die Vorerhebungen erbrachten ein eindeutiges Ergebnis: die im Talgrund unter Umgehung
des Höhenzuges entlang der Ilm und Wolnzach verlaufende Linienführung schied sofort
aus den Planungsüberlegungen als ungünstigste Strecke aus. Schon die ersten Erhebungen
ergaben: sie würde um ca. 1.300 m länger werden als die Alternative über Burgstall,
zwei zusätzliche Brückenbauwerke über die (damals noch nicht begradigte) Wolnzach
erforden und auch nicht annähernd die gewünschte Einsparung an Höhenmetern erbringen,
weil sie, um hochwasserfrei zu sein, im Wolnzachtal entlang der steil abfallenden
Ostflanke des zu umgehenden Höhenzuges verlaufen mußte, was nicht nur eine deulich
schwierigere Linienfühung mit zusätzlichen Kurven bedeutete, sondern vor allem
immer wieder wechselnde Steigungs- und Gefällestrecken bei einem gleichzeitig
sehr hohen Aufwand für Erdbewegungsarbeiten zur Errichtung von Dämmen und
Geländeeinschnitten.
Zwei mögliche Trassenverläufe verblieben damit in der Planung: die südliche Strecke
über Lohwinden mit 48,05 m zu überwindenden Höhenmetern und die jetzt nördliche
(ehemals mittlere) über Burgstall mit 31,00 m Höhenmeter. Zwar ergaben schon die
Voraberhebungen eine gewisse Präferenz für die Linienführung über Burgstall, eine
endgültige Entscheidung fiel aber noch nicht. Hier sollte ein Kostenvoranschlag für
die Gesamtstrecke von der Station Wolnzach bis Mainburg, der im Raum Wolnzach
beide Trassen berücksichtigte, weitere Klärung bringen.
Der Kostenvoranschlag enthält entsprechend eine ausführliche 'Projektion' beider
Varianten:
„a. Linie über Burgstall.
Die nördliche Linie verläßt die Station Wolnzach, woselbst die Mainburger Lokalbahn
ein eigenes Einfahrtsgeleise erhalten wird, auf der Seite gegen Ingolstadt in einer
Entfernung von 440 m vom Mittel des Betriebshauptgebäudes und wendet sich gegen
Nordosten, dabei zur Ermäßigung der Erdarbeiten mit geringer verlorener Steigung sich
herabsenkend, auf kurze Strecke der Ilm sich ziemlich nähernd, gewinnt hierauf rasch
die höheren, hochwasserfreien Lagen, überschneidet die Staatsstraße von Pfaffenhofen
nach Geisenfeld und unmittelbar darauf die von jener abzweigende Distriktsstaße nach
Wolnzach, beide in Fahrbahnhöhe, erhebt sich sodann mit der Größtsteigung von 25 ‰,
sich völlig an das Terrain anpassend, an dem Auslaufe des Höhenzuges zwischen Ilm
und Wolnzach. Nahe beim Dorfe Burgstall biegt die Bahn in die östliche Richtung ab
und senkt sich von da in das Wolnzachthal, kreuzt dabei nochmals die genannte
Distriktsstraße, für die hier eine Ueberführung zu erbauen ist. An dem sehr steilen
Hange, an welchen sich die Bahn in dieser Strecke anlehnt, ist zur thunlichsten
Vermeidung des nicht ganz unbedenklichen Anschneidens dieses Gehänges die
Linie mehr vom Berge abgerückt und in Aufdämmung von nicht zu beträchtlicher
Höhe verlegt. Nach Ueberschreitung des Starzhausener Verbindungsweges, nach
dem Sommerkeller erreicht die Bahn den Thalgrund, in welchem sie in südöstlichem
Laufe und mäßig ansteigend, bis zum Markte Wolnzach weiterzieht. Bei der
Krönmühle nächst Gosseltshausen wird die Wolnzacher Distriktsstraße wiederum
zweimal in Fahrbahnhöhe überschritten und ist hier zwischen beiden
Straßenkreuzungen die Errichtung einer Haltestelle vorgesehen. Beim Orte
Gosseltshausen hält sich die Bahn auf der Thalseite des Dorfes, da beim Umfahren
auf der Bergseite eine zu große verlorene Steigung erforderlich wäre und der steil
ansteigende Berg, sowie einige zu übersetzende tiefe Schluchten die Bahnanlage
sehr erschweren würden. Wohl werden die an der Wolnzach nahe beim Orte
gelegenen werthvollen Wiesen von der unteren Linie beansprucht, dagegen ließe
sich auf der oberen Seite das Durchschneiden von 1 oder 2 Anwesen nur sehr
schwer umgehen. Indeß kommt die Bahn nur auf mäßige Länge und meist an die
Grenzen der erwähnten Wiesengrundstücke zu liegen.
In der Nähe vom Markte Wolnzach folgt die Linie der bestehenden Zufuhrstraße
zur Hauptbahnstation, welche zur Vermeidung des Durchschneidens eines
Häuserkomplexes bezw. der zu ihm gehörigen Gärten und Höfe wiederholt
überschritten wird. An der Abbiegung der Straße nach dem eigentlichen
Markte wird dieselbe nochmals gekreuzt, sodann verdrängt die Linie eines
der dortigen kleinen Häuser und zieht neben der Ortsstraße des auf der linken
Thalseite gelegenen Markttheiles hin, woselbst die Errichtung der Haltestelle
Wolnzach unter Anlehnung an diese Straße projektiert ist.
b. Linie über Lohwinden
Die südliche Linie, für welche ebenso wie bei der anderen ein eigenes
Einfahrtsgeleise vorgesehen werden soll, verläßt die Anschlußstation an dem
in der Richtung gegen München gelegenen Ende, zieht sich sodann zwischen
den Strasshöfen hindurch, überkreuzt die Staatsstraße von Pfaffenhofen nach
Geisenfeld in Fahrbahnhöhe und beginnt alsbald mit der Größtsteigung von
25 ‰ sich zur Wasserscheide zwischen Ilm und Wolnzach zu erheben,
übersetzt dabei zunächst das Lohwindener Thal, für dessen Wasserlauf ein
2,0 m weiter gewölbter Durchlaß erforderlich wird, um an dem nördlichen
Gehänge dieses Seitenthales sich zu entwickeln, wobei sie bis nahe an die
Wasserscheide sich ziemlich uneben und unterhalb der Zufuhrstraße vom
Markte Wolnzach hält. In der unteren Strecke dieser Steilrampe werden
höhere Aufdämmungen erforderlich, während der Kamm der Wasserscheide
mittels eines sehr bedeutenden Einschnittes, dessen Länge 300 m und
dessen Tiefe am Scheitel 14 m betragen wird, zu durchbrechen ist. Die
auf der Höhe des Bergrückens führenden Wege werden zur Ersparung
einer hohen und kostspieligen Ueberführung abgelenkt und an günstigerer
Stelle in Fahrbahnhöhe über die Bahn geleitet. Beim Abstiege gegen Osten
sucht die Bahn ihre Entwickelung an dem südlichen Gehänge des zwischen
Wolnzach und Gosseltshausen zur Wolnzach sich öffnenden Thales, wobei
eine seitliche Schlucht in 250 m langem bis zu 13 m hohen Damme zu
übersetzen ist, in welch letzterem für einen überschnittenen Hauptfeldweg
eine Unterführung erforderlich wird.
Bei der Annäherung an den Markt Wolnzach überschneidet die Linie in
Fahrbahnhöhe die nach der Hauptbahnstation führende Zufuhrstraße und
vereinigt sich vor der Haltestelle Wolnzach mit der nördlichen Variante.
Diese für eine Lokalbahn ganz außergewöhnlich großen Arbeiten ließen
sich nur durch Anwendung einer größeren Steigung ermäßigen; jedoch wurde,
um die Varianten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Bahn nicht noch
ungleichmäßiger zu gestalten, als sie es durch die Verschiedenheit des
angeordneten kleinsten Krümmungshalbmessers ohnedies sind, hievon zunächst abgesehen.“
Der letzte Absatz der 'Projektion' deutet schon an, daß es mehrere gravierende Unterschiede
zwischen den beiden Linienführungen gab, die über weite Teile des Kostenvoranschlags
verstreut ihren Niederschlag gefunden haben. Der angesprochene 'kleinste
Krümmungshalbmesser' bedeutet, daß der vorgesehene Mindestradius von 300 m bei
der Streckenführung über Lohwinden nicht eingehalten werden konnte, sondern zwischen
der Station Wolnzach und der Haltestelle Wolnzach Markt mehrfach auf 200 m
herabgesetzt werden mußte, sollten die Erdbewegungsarbeiten nicht stark vermehrt werden.
Wie groß der Unterschied tatsächlich war, geht aus einer anderen Stelle des
Kostenvoranschlags (Beilagen 2 und 3) hervor. Ein genaueres Nachmessen hatte ergeben,
daß für die Strecke Station Wolnzach bis Wolnzach Markt bei dem nördlichen
Streckenverlauf über Burgstall zu bewegende Erdmassen von insgesamt
31.000 Kubikmeter anfielen, während bei der Streckenführung über Lohwinden (unter
Voraussetzung des Mindestradius' von 200 m) Erdmassen von insgesamt
78.000 Kubikmeter bewegt werden mußten, also mit zusätzlich zu bewegenden
47.000 Kubikmetern Erdreich eine erhebliche Mehrung auf den ersten 5,4 Km
erfolgen würde.
Ein anderer Unterschied wurde dagegen in dem Kostenvoranschlag in seiner Bedeutung
deutlich geringer bewertet, wohl auch, weil die entstehenden Kosten nicht die Bahn,
sondern die jeweiligen Anlieger betrafen: gemäß dem Gesetz zur Errichtung von
Lokalbahnen im Königreich Bayern mußten die anliegenden Kommunen den
Grunderwerb für die jeweilige Bahntrasse selbst tragen. Das genaue Nachmessen
der beiden Streckenverläufe hatte ergeben, daß die Trassenführung über Burgstall
gegenüber der über Lohwinden eine Streckenverlängerung um 935 m bedeutete.
Dazu vermerkte der Kostenvoranschlag:
„Dabei stellen sich die Kosten der Grunderwerbung für die Burgstaller Linie trotz der
nahezu 1 Kilometer betragenden Mehrlänge und obwohl ungleich werthvollere Grundstücke
von ihr beansprucht werden, dennoch nur unwesentlich höher, wie für die südlichere, in dem
bei dieser wegen der höheren Auffüllungen und tieferer Einschnitte, in denen sich die Bahn
fast durchaus bewegen muß, eine beträchtlichere Grunderwerbsbreite erforderlich wird,
so daß sich die von den Lokalbahninteressenten aufzubringenden Mittel für die Burgstaller
Variante nur um ein Geringes höher belaufen werden.“
Eine genauere Berechnung (Beilage 1) ergab, daß auf den Markt Wolnzach für den
Grunderwerb bei der Burgstaller Variante Kosten in Höhe von 156.020 Mark, bei der
Lohwindener Variante hingegen von 155.580 Mark entfielen. Unter Berücksichtigung
verschiedener Nebenkosten (Beilage 4) wie z.B. für die Planung oder die Herstellung der
Haltestellenzufahrten entfielen voraussichtlich insgesamt bei der Linie über Burgstall
171.300 Mark auf den Markt, bei der Linie über Lohwinden 169.900 Mark. Zum Vergleich:
Die zu erwartenden Gesamtkosten für die ganze Strecke bis Mainburg betrugen für den
Staat bei der Strecke über Burgstall 1.101.000 Mark bzw. bei der Strecke über Lohwinden
solche in Höhe von 1.138.100 Mark.
Diese nackten Zahlen drücken dabei noch gar nicht aus, daß die preislich günstigere
Strecke mit Burgstall, Gosseltshausen und Starzhausen drei weitere Orte einband und
deshalb auch die Kosten für eine zusätzliche Haltestelle in Gosseltshausen mit Weiche,
55 m langem Gleisstutzen und einem weiteren Güterschuppen beinhaltete. Der
Kostenvoranschlag versuchte zwar, sich neutral zu geben, atmet aber gleichsam überall
schon die Bevorzugung der Trassse über Burgstall gegenüber der über Lohwinden. Daß
dann auch die endgültig Entscheidung genau so aussah, kann deshalb an dieser Stelle
schon vorweggenommen werden.
Soweit zur Planung der Hallertauer Lokalbahn für den Moment. Im nächsten Abschnitt
wird es dann um die weitere Ausstattung der Strecke gehen.
Servus und bis hoffentlich bald
Joachim