Hallo Holger,
Ich habe, wie fast immer bei Gleisplanungen, mal wieder etwas zu meckern: Ein Entwurf, bei dem in einem Bahnhofskopf Weichen mit flacher Neigung und im anderen steile Weichen vorgesehen sind, finde ich grundsätzlich nicht gut, weil beim Vorbild anders geplant wird. Weichen sind teuer, deswegen nimmt man möglichst überall die fahrzeugtechnisch kleinstmögliche Weiche 190-1:9, außer die angestrebte Fahrgeschwindigkeit erfordert die Wahl längerer Weichen. Ich habe Verständnis dafür, die Längenmaße im Modell ein wenig zu verkürzen, dann aber sollten überall z. B. 10°-Weichen eingeplant werden. Oder eben umgekehrt überall 1:9-Weichen.
Du könntest natürlich Deine jetzige Planung damit rechtfertigen, dass Du an dem einen Bahnhofskopf mit größerer Geschwindigkeit einfahren möchtest. Dann müsstest Du Dir aber eine Modellweiche mit durch das Herzstück durchlaufendem Bogen aussuchen (z. B. 190-1:6,6), denn alle Weichen, die länger als die 190-1:9 sind und eine Geschwindigkeit im Bogen von über 40 km/h erlauben, haben diesen durch das Herzstück verlaufenden Bogen.
Ein anderes Thema sind Zwischengeraden zwischen gegenläufigen Bögen. Beim Vorbild gibt es ein Mindestmaß von 6 m, was sich vor allem daran orientiert, das Überpuffern zwischen zwei 190er Bögen zu vermeiden. In Abhängigkeit von der angestrebten Geschwindigkeit gibt es oberhalb 40 km/h längere Mindestwerte. Im Modell kann es nun engere Bögen als die umgerechneten 190 m wie in Deiner DKW geben. Deshalb kann das Überpuffern nur mit einer längeren Zwischengerade vermieden werden.
Die Überpufferungsgefahr ist deswegen relevant, weil Wagen mit OBK zum Schieben die Puffer benötigen. Aber auch mit festgelegten Bügelkupplungen sind die Verhältnisse nicht viel besser (Bügelweite 7,3 mm - Hakenbreite 3,2 mm = freie Beweglichkeit in Querrichtung 4,1 mm. Die Unterschiede liegen darin, dass bei der OBK Zug- und Druckeinrichtung unabhängig voneinander beweglich sind und so das Spurspiel (nach NEM muss man mit 0,3 mm bis zu 1,0 mm rechnen, je nach Radrückenabstand, Spurkranzdicke und realer Spurweite) zu ungünstigeren Verschiebungen der Wagen zueinander führen kann (vor allem, wenn "Ecken" im Gleis sind). Festgelegte Bügelkupplungen sind dagegen eine konstruktive Einheit, sodass die Querverschiebung zwischen zwei Wagen auf die oben erwähnten 4,1 mm beschränkt ist. Wenn es dann kurvenmäßig noch enger wird, springt das Spurspiel noch als Sicherheit ein, anders als bei der OBK, wo das Spurspiel eher ein Unsicherheitsfaktor ist. Somit hat man keine Probleme zu erwarten, wenn man seine Bahnhöfe auf der Grundlage von 1:9 plant und auch die sonstigen Grenzen einhält. Bei allem, was verkürzt geplant ist, muss man etwas genauer auf die Länge der Zwischengeraden achten, aber über 12 Vorbildmeter braucht man wegen der üblichen Wagenlängen nicht hinauszugehen.
Ein weiteres Sonderthema sind Lokomotiven mit Laufachsen. Der Tender ist wie ein Wagen zu betrachten und aufgrund seiner Kürze dürfte er kaum Probleme bereiten. Anders bei der Lok selbst: die Vorlaufachse ist quer meist frei beweglich und sanft vertikal abgefedert. Die Kuppelachsen haben oft sehr viel Querspiel in den Lagern, damit sie auch Straßenbahnradien von 360 mm (sind umgerechnet 31,3 m) noch bewältigen. die meisten Loks, die beim Fremo laufen, haben solche Fahrwerke. Fast niemand sieht einen Grund, daran etwas zu ändern. Solche Loks werden am sichersten durch vorbildnahe Radien ohne Überpuffern fahren. Alles engere ist Glückssache.
Jetzt kommen wir etwas vom Thema ab, aber ich möchte dringend empfehlen, wenigstens die Vorlaufachsen quer abzufedern, damit die vordere Pufferbohle auch im Gleisbogen einigermaßen nahe an der Gleismitte bleibt und sich ihr Verhalten nicht so sehr von dem der Wagen unterscheidet. Meist muss dann aber auch die Vertikalabfederung etwas verstärkt werden, damit die Radlast der Laufachse immer größer als ihre Seitenführungskraft bleibt.
Die querabgefederte Laufachse kommt auch der Entgleisungssicherheit im doppelten Herzstück einer 1:9-Kreuzung oder -DKW zu gute. Es gibt im Kreuzungspunkt eine führungslose Länge, die dummerweise im Modell deutlich größer als beim Vorbild ist, weil unsere Rillenweiten im Modell maßstäblich zu groß sind. Je steiler die Kreuzung, um so kürzer ist die führungslose Länge. Auch beim Vorbild werden die flacheren 1:10 Kreuzungen übrigens schon mit beweglichen Herzstückspitzen ausgerüstet.
Ich hoffe, Du hast meinen "Erguss" bis hierhin gelesen und bekommst noch meinen Gruß mit.
Johannes